Kategorien
Geschichten

Robinia

In einem Land ganz weit weg lebte einst ein Medizinmann, der von den Menschen dort sehr geschätzt und geachtet wurde. Er hatte immer ein offenes Ohr für die Nöte der Menschen, er konnte super gut Rat geben und er spürte oft zwischen den Zeilen was los war, er war einfach ein Menschenfreund und das spürten auch die Bewohner dieses Landes. Der Medizinmann hatte auch eine große Familie, na eigentlich war es mehr als nur eine Familie, da der Medizinmann in seinem Leben öfter mal neu beginnen musste und wollte. Die Kinder waren alle schon außer Haus und hatten Familien. Der Medizinmann liebte es, wenn sie ihn besuchen kamen und auch die Enkel mit dabei waren.

Eine der Töchter war Robinia. Sie war in dem Land fast so bekannt wie ihr Vater, sie war nämlich eine sehr energische, kreative und begabte Person und war viel auf den Bühnen des Landes zu sehen., weil sie den Menschen gerne Geschichten erzählte. Manchmal sogar gemeinsam mit ihrer Schwester. Robinia erzählte aber nicht nur Geschichten, sondern sie engagierte sich mit unglaublicher Kraft für Menschen, die es nicht so leicht hatten. Menschen, die ungerecht behandelt wurden, Menschen, die aus fremden Ländern in das Land kamen, weil sie im eigenen Land nicht mehr sicher waren und so weiter und so fort. Oft fragten sich die Menschen woher Robinia ihre Energie nahm, aber wenn man sie dann wieder mal energisch aufstampfen sah und lachen musste, weil sie sich dabei eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht pustete, wunderte einen wieder gar nix. Robinia konnte manchmal richtig gehend stur sein, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte.

Auftanken konnte Robinia immer wieder bei ihrem Vater. Dort fand sie ganz viel liebevolle Zuneigung, die ermutigte und die ihr Kraft gab. Robinia hatte auch einen Mann, eine Familie, gute Freunde und all das war ihr sehr wichtig zum Kraft holen, aber ihr Vater war eben besonders. Der Medizinmann war allerdings nicht mehr der jüngste und so geschah es eines Tages, dass er krank wurde. Robinia setzte alle Hebel in Bewegung, organisierte mit ihren Geschwistern und war ganz außer sich vor Sorge. Ihr Vater musste einfach wieder gesund werden, weil…ja weil…sie wollte gar nicht weiterdenken, was es hieße, wenn ihr Vater irgendwann nicht mehr da wäre. Allein bei dem Gedanken wurde ihr Angst und Bang. Energisch stampfte sie auf und pustete sich mal wieder eine Haarsträhne aus dem Gesicht, nein, ohne ihren Vater, das ging einfach nicht und sie wollte alles daran setzen, ihn für immer bei sich haben zu können.

Umso erstaunter war sie, als ihr Vater sie auf eine Insel schickte, die wirklich noch viel weiter weg war als das Land, von dem wir hier reden. Robinia hatte sich schon lange gewünscht, dort endlich hin zu können. Auf der Insel gab es Menschen, die ganz besondere Heilkünste hatten und das wollte Robinia kennenlernen, passt ja zu der Tochter eines Medizinmannes. Robinia sollte also ein paar Wochen auf diese Insel, aber sie dachte nur, doch nicht ausgerechnet jetzt, wo mein Vater noch krank ist.

Aber sowohl ihr Vater, als auch ihre große Schwester redeten ihr zu und so stieg sie in ein Flugzeug und landete auf der Insel. Die Insel war wunderschön,die Menschen faszinierten sie und sie war beeindruckt, mit wieviel Menschenfreundlichkeit und Achtung ihr die Menschen dort begegneten. Die Menschen zeigten ihr die Heilkünste der Insel und die Behandlungen taten auch ihr und ihrer Seele mehr als gut. Robinia war nämlich zugegebenermaßen sehr, sehr müde, weil die letzten zwei Jahre ganz viel von ihr gefordert hatten. Hätte Sie nach Außen wohl nie so gezeigt, aber ihr Vater spürte schon, dass es notwendig war, seine Tochter auf die Insel zu schicken.

Außerdem spürte der Medizinmann noch etwas. Er wusste, dass seine Zeit zu Ende ging und er bald gehen würde. Er wusste aber auch, dass gerade Robinia das furchtbar treffen würde und deshalb wollte er sie gut versorgt wissen, wenn es für ihn an der Zeit war. Natürlich dachte er auch an seine anderen Kinder, aber irgendwie war ihm Robinia in dem Moment besonders nahe.

So kam es also, dass Robinia ganz weit weg war, als der letzte Tag ihres Vaters anbrach. Der Medizinmann war nicht alleine, es war alles ein bisschen so, wie er es sich gewünscht hatte und er konnte mit ruhigem Herzen gehen, weil auch seine Enkelin da war und er wusste, dass das ein guter Zeitpunkt war und seine Enkelin auch Robinia helfen würde über den Verlust hinweg zu kommen.

Als Robinia auf der Insel erfuhr, dass ihr Vater, der große Medizinmann, sich auf seine letzte Reise machte, brach für sie eine Welt zusammen, vor allem, weil sie in dem Moment auch realisierte, dass sie nicht mehr rechtzeitig zu Hause ankommen würde, um sich zu verabschieden. Die Menschen auf der Insel betreuten sie liebevoll , aber Robinia konnte unter ihrem Tränenschleier die Schönheit der Insel nicht mehr sehen, ihre Gedanken waren nur bei Ihrem Vater, dennoch war sie dankbar, dass sie gut umsorgt wurde und nicht ganz allein war.

Als Robinia ein paar Tage später in das Land, das so ganz weit weg war, zurückkehrte, war nichts mehr so, wie es vor ihrer Abreise war. Sie vermisste ihren Vater unendlich und immer wieder flossen ihre Tränen, weil sie so traurig war. Viele Menschen waren da, um sie zu trösten, aber der eine, der liebevolle, der fehlte und er würde nie nie wieder zurückkehren. Wie soll man denn da weiterleben, fragte sie sich.

Robinia war lange Zeit sehr traurig, aber sie wusste auch, das Leben würde weitergehen. Und so kam es, dass Robinia wieder hinaus unter die Menschen ging, sie war wieder auf den Bühnen des Landes zu sehen und sie kämpfte weiter für die, die ihre Hilfe brauchten. Und mitten in diesem Tun kam ihr eine Erkenntnis, die sie zum Strahlen brachte. Sie spürte plötzlich wieviel von ihrem Vater in ihr war, wieviel Menschenfreundlichkeit sie von ihm gelernt hatte, aber auch, dass sie so manches Medizinmannwissen in sich hatte, wenn sie z.B Freundinnen beim Heilwerden helfen konnte. Sie spürte ihren Vater ganz nah, grad auch dann, wenn sie mit ihrer Lieblingskatze auf der Couch saß, nachdachte und dabei eine Tasse Tee genoss.

Robinia vermisste ihren Vater, ja, keine Frage, aber sie fand auch neue Kraft ihren Vater in ihrem Alltag zu erkennen und ihn als liebevollen Begleiter weiter ganz nah zu spüren. Die Menschen in dem Land freuten sich sehr, dass Robinia wieder zurück auf den Bühnen war und der alte Medizinmann, der aus einer anderen Welt immer einen liebevollen Blick auf seine Kinder hatte, lächelte zufrieden. „Na schau, du hast die Kraft in dir neu entdeckt“, dachte er sich und als der Sonnenstrahl, den er schickte, Robinia in der Nase kitzelte und sie nießen musste, lachte sie auch und schickte ein „Danke, lieber Vater“ in Richtung Sonne.

Von borsetta

Gedanken zum Leben....Gedanken mittten aus dem Leben..... Teilen mit jenen.... die sich die Zeit dafür nehmen.... im Jetzt leben.... genießen und zwischendurch immer wieder einen Espresso trinken....

Hinterlasse einen Kommentar