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Die Geschichte von 9 Wochen Ferien und anderen Mythen…..

Es ist mal wieder an der Zeit, ein wenig über Schule zu schreiben. optimaler Zeitpunkt, da ja gerade ein neues Schuljahr beginnt.

Suboptimal ist,wie es beginnt, es beginnt nämlich mit etlichen Hürden und einer ordentlichen Portion an neuen, zusätzlichen Herausforderungen. Ein Schulstart ist nämlich an sich schon ein Kraftakt, wie geneigte Kenner und Kennerinnen der physikalischen Grundgesetze (Newton lässt grüßen) sich eventuell ausrechnen können. Ein Schulstart gekoppelt mit einer Pandemie ist nochmal eine Nummer größer. Es ist ja nicht so, dass wir keine Erfahrung damit hätten, denn immerhin schreiben wir im Logbuch des Raumschiff Enterprise gerade das Semester 4 in Zeiten der Pandemie. Und dennoch, Houston, we have a problem (ach, wenn‘s doch nur eines wär….) Jetzt ist es so, dass man wahrnimmt, dass die Gründe für das Problem Schulstart sehr unterschiedlich wahrgenommen werden und so kommt es, dass zwei Aussagen mich heute sehr beschäftigen. Es sind zwei Tweets von Thomas Mayer (Journalist; der standard)

Herr Mayer schreibt unter anderem: „Was haben Direktoren und Lehrer seit Anfang Juli 10 Wochen lang gemacht, wissend, dass zu Schulbeginn im Herbst vierte Infektionswelle droht? Mir geht diese Unverantwortlichkeit, ständige Ausrede aufs Ministerium auch auf die Nerven.“ und weiter „Habe kein Verständnis dafür, dass Lehrer und Direktoren neun Wochen Sommerferien „feiern“, und in Schulen eine (!) Woche nach Herbststart Chaos ausbricht“ (beides Zitate aus seinem Twitteraccount @TomMayerEuropa)

Diese Tweets haben heftige Diskussionen ausgelöst und Herr Mayer meint, wir würden in den Schulen nach dem Prinzip „Anweisung von oben“ arbeiten und meint, wir wären geneigt, Verantwortlichkeit immer woanders hinzu delegieren, konkret alles auf‘s Ministerium zu schieben, anstatt selber endlich die Dinge in die Hand zu nehmen. (nachzulesen auf seinem twitter account) Nun gut, damit ich endlich auch mal meinen bequemen Liegestuhl am Sonnendeck verlasse, beschreib ich hier mal kurz meine letzten Wochen. Ich könnte auch über die letzten zwei Jahre schreiben, dann würde es aber vermutlich eher ein Buch…. Ich mach meinen Job grundsätzlich wirklich gerne, das dürfte dem einen, der anderen hier nicht neu sein, aber ich war noch nie so an meinen Grenzen und so ausgelaugt wie jetzt gerade. Geh, jetzt hast eh grad 9 Wochen Urlaub g‘habt…… ah ja, da sind sie wieder, die 9 Wochen….. 9 Wochen, die keine 9 Wochen sind, weil Schulleiter* innen ganz offiziell a bissl länger arbeiten dürfen und auch früher anfangen…na, heast, immer noch mindestens 7 Wochen und das obwohl du das ganze Jahr über so viel frei hast…..hm, tja, es sind ganz oft auch keine 7 Wochen, denn wenn nicht alle Stellen besetzt sind, sitzen wir noch immer in den Schulen und führen Bewerbungsgespräche oder wenn wir Sommerschulen am Standort betreiben, dann fallen auch gleich mal wieder zwei Wochen weg und meist noch eine Woche für die Vorbereitungen derselbigen, da man da ja auch ein neues Team hat und so weiter….an meiner Schule gab es keine Sommerschule….na oiso, was wüst, eh 7 Wochen Urlaub…..nein, seit Anfang August sitze ich immer wieder und überlege und plane, zugegebenermaßen manchmal auf der Terrasse, manchmal am pool, aber ich plane, ich denke nach, ich tüftle alles unter den Vorzeichen „was wäre wenn“ , denn die Pressekonferenz des Ministers Anfang August hat mehr Fragen als Antworten gebracht. Wir Leiter*innen telefonieren miteinander, beratschlagen, überlegen, spielen wie in einem netten Planspiel alle möglichen Varianten durch, nur Preis gewinnen wir halt keinen. Wir versuchen unsere Teams zu informieren und deren Fragen zu beantworten, nebenbei bauen wir die Lehrfächerverteilung fertig (was? Die is noch nicht fertig, ja, was hackelt ihr eigentlich? ….ja, die ist nicht fertig, weil es dazu Kontingente, also die Ressourcen der Lehrerstunden , braucht und besetzte Stellen) und tüfteln auch , oft mit der Unterstützung von Lehrerteams am Stundenplan (was, der ist noch nicht fertig? Was hackelts ihr eigentlich? …..ja, der ist noch nicht fertig, weil es dafür eine fixe Lehrfächerverteilung braucht und die, na Sie wissen schon…) Neben all dem macht man sich Gedanken, wie das mit der Logistik der Testungen in der Schule ablaufen kann, schreibt unendlich viele Excell sheets, holt das Team früher in die Schule, die kommen auch alle freiwillig, obwohl sie noch nicht müssten (jaaaaa, genau, es gibt sie tatsächlich:engagierte Pädagog*innen) , man bespricht Abläufe, Plan A, Plan B, Plan Xy (gut, dass das Alphabet 26 Buchstaben hat) und man wartet trotzdem noch, ob es eventuell konkretere Vorgaben aus dem Ministerium oder den Bildungsdirektionen gibt. Nun ja, man wartet. Und auch wenn noch alles so gut wie möglich vorbereitet ist, lässt sich nichts davon umsetzen, wenn nicht ausreichend Tests geliefert sind, oder die qr codes fehlen. Ich hab einen halben Tag deswegen in hotlines verbracht und es letztlich nur einem twitterkontakt, der bei der Post arbeitet, zu verdanken, dass dieses Paket mit den codes noch zeitgerecht aufgetaucht ist. Laut Erlass hätte ich die Möglichkeit zu sagen, gut, wenn kein Material, keine Tests und fertig. Allerdings kann man das, wenn man seinen Job mit viel Herzblut macht, nicht so einfach. Da geht es nämlich um ein paar hundert Kinder und jedes einzelne von ihnen liegt mir am Herzen. Ich will, dass diese Kinder gesund bleiben. Zu all dem kommt noch das Chaos der Digitalisierungsoffensive (kostenlose Endgeräte, die doch was kosten und die noch nicht an den Schulen sind). Meine Schule gehört zu den 7% der Schulen, die sich in diesem Jahr noch nicht an der Offensive beteiligt haben. Das liegt nicht daran, dass wir in Sachen Digitalisierung im Hintertreffen sind (ey, wir bekommen nächste Woche das oö Gütesiegel „digi-tnms“ verliehen) nein, es liegt daran, dass wir einerseits in Sachen Infrastruktur noch ein paar Dinge aufjustieren müssen, ich Geräte nur für sinnvoll halte, wenn sie nicht nur in der Schule liegen, sondern auch breitflächig eingesetzt werden können und ich meinem Team das Chaos, das jetzt herrscht, ersparen wollte. Nach über 30 Jahren Schuldienst hatte ich da eine gewisse Ahnung, die sich jetzt leider auch bestätigt. Neben der Digitalisierung gibt es einen zeitlich straff getakteten Zeitplan für das neue Qualitätsmanagement an den Schulen und im November werden die Bildungstandards getestet, weil der ministeriale Fahrplan das so vorsieht. Dass die letzten eineinhalb Schuljahre Schüler*innen, Pädagog*innen und Eltern unglaubliches abverlangt hat, findet keine Berücksichtigung. Ziele müssen erreicht, Pläne erfüllt werden.

Wir arbeiten mit Kindern und nicht mit Maschinen. Wir sind Menschen und keine Maschinen. Wir sind erschöpft, wir sind müde, wir sind oft am Rande des Machbaren, wir arbeiten in einem System, das gerade durch Corona noch mehr aufgezeigt bekommt, wo es dringend an Veränderung bedarf. Wir verlieren engagierte Kolleg*innen, wir verlieren wertvolle Kinder. Aber hey, wir haben 9 Wochen Ferien und jede Menge Zeit zu feiern. Nun denn…..ihr findet mich im Liegestuhl am Sonnendeck. Ein schönes Wochenende allerseits.

Von borsetta

Gedanken zum Leben....Gedanken mittten aus dem Leben..... Teilen mit jenen.... die sich die Zeit dafür nehmen.... im Jetzt leben.... genießen und zwischendurch immer wieder einen Espresso trinken....

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